EHEMALIGER US-BESATZER BESUCHTE SALZBURGER KASERNE UND SCHILDERTE
MISSION IM KALTEN KRIEG
Für ihn war es ein Wiedersehen mit einer alten Liebe.
Keiner aus Fleisch und Blut, aber nicht minder im Herzen verankert.
Nach 54 Jahren kam der Amerikaner Ralph Pickering kürzlich zum ersten Mal wieder nach Europa. Nur zum Besuch von Salzburg. Um seiner Gattin Jane zu zeigen,
wo er zwei Jahre lang Besatzungssoldat war und zu sehen, wie sich die Mozartstadt verändert hat.
Der 75-Jährige wollte auch im Taxi zu seiner Garnison „Camp Roeder“ in Wals-Siezenheim fahren, weil er sich ein paar nostalgische Blicke durch den Zaun erträumte. Die Torwache zu fragen, ob er hinein darf, hätte er nie gewagt.
„Denn Österreich ist ja mittlerweile ein souveränes Land.“
Da hatte der ehemalige Korporal der US-Army aber nicht mit dem Öffentlichkeits-abteilungschef des Salzburger Militärkommandos gerechnet.
Oberst Gerhard Funk bekam von diesem „Zaungast“ Wind und ermöglichte dem Ehepaar Pickering prompt eine Sonderführung durch die ganze Schwarzenberg-Kaserne. Pickering war gerührt und bemerkte gleich nach 50 Metern:
„Ihr habt ja umgebaut!“ Falls also Minister Darabos für seine behaupteten Renovierungstätigkeiten einen Zeitzeugen benötigt . . .
Und keine Angst! Wir Reporter haben im Staatsinteresse Ralph Pickering verschwiegen, dass in der Schwarzenberg-Kaserne zumindest noch vor einem Jahr ein Schlafsaal für 50 Rekruten in Betrieb war. Wir wollen ja nicht, dass er das daheim im Veteranenverband „American Legion“ erzählt und man dort wieder ans Schnüren von CARE-Paketen schreitet.
BUNDESHEER BESORGT
Bei der Kasernenrundfahrt ist das Bundesheer plötzlich besorgt.
Denn Pickering lässt den Kleinbus stoppen und starrt an der Garnisonsrückseite Richtung Saalach-Au ins augenscheinliche Nichts.
„Everything okay?“, fragt Offiziersstellvertreter Wolfgang Riedlsperger,
der auf Oberst Funks Geheiß bestens den Fremdenführer spielt, den betagten Herrn.
Da lugt ein Grinsen unter dem schlohweißen Rauschebart des Übersee-Gastes hervor und mündet auf Englisch in die Worte: „Genau hier bin ich nachts immer über den Zaun geklettert. Wenn ich vom Rendezvous mit Salzburger Frauleins (den Umlaut „ä“ können Amerikaner ja nicht aussprechen, Anm. d. Red.) ins Camp zurück schlich und die MP austrickste.“
Da lacht auch seine liebenswürdige Gattin: „Because that was long before we met.“
Ralph lernte erst nach der Militärzeit seine Jane kennen, als beide im US-Bundesstaat Ohio bei der Firma Goodyear Traktorreifen produzierten. Was Ralph bis zu seiner Pensionierung machte. Die Familie wohnt in der Kleinstadt New Bremen, 150 Kilometer von der Metropole Columbus weg.
LÄNGST ABGERISSEN
Ein bisschen länger dauert nun die Suche nach den Werkstätten am Siezenheimer Kasernengelände, in denen Mechaniker Pickering Dienst versah.
Oberst Funk studiert antikes Kartenmaterial. Was er heraus liest, ist ihm fast peinlich: Diese Hallen sind abgerissen!
Doch der alte Besatzungssoldat ist ihm deshalb nicht sonderlich böse.
Beim Lokalaugenschein auf diesem Schotterplatz sieht Ralph, wie die Salzburger Pionierkompanie das Brückenlegen übt. Während er in Gedanken 55 Jahre zurück spult, als er genau dort die Panzer M-47 „Patton“, M-4 „Sherman“ oder M-26 „Pershing“ der „United States Forces in Austria“ (USFA) reparierte. Und als Fingerübung zwischendurch mal Jeeps.
Pickerings Armeedienst in Österreich war zufällig zeitgleich mit der Ära des letzten USFA-Oberkommandierenden, Generalleutnant William H. Arnold (1901 – 1976) aus Tennessee. Der kam am 1. Mai 1953 in Salzburg an und reiste am 3. Oktober 1955 ab. Nachdem er alle amerikanischen Militäreinrichtungen in Salzburg und Oberösterreich dem neu entstandenen Bundesheer übergeben und die Besatzungszeit für beendet erklärt hatte.
UFOS ÜBER SALZBURG
Offiziell als letzter US-Besatzungsoldat verließ am 25. Oktober 1955 Brigadegeneral William H. Nutter das durch den Staatsvertrag wieder frei gewordene Österreich.
Allerdings verhaftete die Polizei drei Tage später in der Hofstallgasse einen amerikanischen Soldaten, der gesetzwidrig immer noch in ausländischer Uniform in unserer Alpenrepublik herum spazierte. Er habe in seinem Urlaub nichts vom Truppenabzug mitbekommen, gab er zu Protokoll. „Also, das war nicht ich!“, so Ralph Pickering nun treuherzig lächelnd.
Nie vergessen wird er den Mittagsappell im Camp Roeder am Allerseelentag 1954. Eine Ausgangssperre wurde verkündet, weil unter der Stadtbevölkerung wegen des Anblicks „fliegender Untertassen“ eine regelrechte Hysterie ausgebrochen war. Die US-Air-Force musste aktiv werden und konnte die vermeintlichen UFO’s schließlich als Ballone entlarven.
Leider hat Pickering auch eine schlimme Erinnnerung an seine Stationierung in Österreich. Weil genau dort ein Baum stand, wo sein Jeep aus der Kurve flog.
Das passierte nahe beim „Camp Truscott“. So hieß die Rainerkaserne in der Besatzungszeit. Mehrere Wochen lag der junge Soldat im Glasenbacher US-Army-Hospital.
„WIR STANDEN BEREIT“
Als „Besatzer“ fühlte sich Pickering in Salzburg übrigens nie:
„Eure Befreiung vom Hitler-Regime war ja längst von meinen Vorgängern erledigt worden und wir brauchten auch keine unverbesserlichen Nazis mehr in Schach zu halten.“
Warum er und seine Kameraden gegen Mitte der 50-er Jahre noch hier waren, erklärt er heute so: „Weil die Sowjets euren Staatsvertrag stets hinauszögerten und in ihrer Besatzungszone mit dem sogenannten ,Deutschen Eigentum“ die Schlüsselindustrien kontrollierten und damit die Regierung erpressen konnten.
Vor jedem Manöver sagten uns die Offiziere im Camp Roeder, die gottverdammten Kommunisten würden Österreich genauso übernehmen wollen wie die Länder hinter dem Eisernen Vorhang. Notfalls durch die Rote Armee.
Wir amerikanischen Soldaten standen bereit, um Österreichs territoriale Integrität zu verteidigen.“
1955, nachdem der Legende nach Bundeskanzler Julius Raab und Außenminister Leopold Figl die Russen in Moskau unter den Verhandlungstisch gesoffen und mit Trällern der „Reblaus“ weichgekopft hatten, zog sich Korporal Pickering mit seiner Einheit in eine NATO-Basis im italienischen Verona zurück. Und rüstete kurz danach ab.
Der Schleichweg zu den Fräuleins

Ralph und Jane Pickering in der Schwarzenberg-Kaserne mit Rekruten Simon Leitner und
David Pappernigg (rechts).
Die zeigen ihren heutigen Pionier-Übungsplatz, auf dem früher Pickerings US-Army-Werkstätte stand.

„Habe ich den vielleicht einst repariert?“ Ex-Besatzer Pickering in Siezenheim vor dem ausgemusterten Bundesheer-Kampfpanzer M-47 „Patton“ aus amerikanischen Armeebeständen.