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RETTUNG

“Nachher haben es schon alle vorher ganz genau gewusst!“ oder

die kleine Linke mit dem Erfolgsgefühl

 

Magnesium and pCO2 before parachuting explain intensity

of subjective success afterwards.

S. Porta, R. Slanic, H. Gell, V. Holcner, J. Zezula , M. Moser, K. Pichlkastner, K. Kisters

 

Ahnt jemand, worum es sich handelt? Kommt noch.

Diese Gemeinschaftsarbeit der Theresianischen Militärakademeie mit der University of Defense in Brünn und dem Center of Excellence für Hochdruckkrankheiten am St. Anna Spital in Herne (Ruhr Universität/BRD) wurde zur Publikation in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Trace Elements and Electrolytes“ angenommen.

Solche Veröffentlichungen sind für den Fortschritt der Wissenschaft gut, lesen aber tun sie, wie ich einmal hörte, maximal 1,5 Personen, der Autor mit inbegriffen.

Deshalb lasst uns an dieser Stelle die Ergebnisse etwas unters Volk bringen:

Fähnriche der Theresianischen Militärakademie wurden einige Tage nach ihrem ersten Fallschirmsprung befragt, wie stark denn ihr persönliches Erfolgsgefühl nach durchgemachtem Sprung auf einer Skala von eins bis fünf gewesen sei. Schon vor dem Sprung hatten wir verschiedene Stresseffekte, wie Kohlendioxid, das Auskunft über die Atemfrequenz (also die Aufregung) gibt, und Magnesium, aus dem der Energieumsatz zu erkennen ist, aus einigen Tropfen Blut der Fingerbeere gemessen. Allerdings aus ganz verschiedenen Gründen. Wir wollten den Einfluss der Vorerregung auf die Anstrengung während des Sprunges untersuchen.

Nachträglich kam mir der Gedanke, dass sich der Einfluss der Vorerregung nicht nur auf den Sprung auswirken könnte, sondern vielleicht auch im Zusammenhang mit viel später erhobenen Werten etwa mit dem beschriebenen Erfolgsgefühl stehen könnte. Wir verglichen also die Intensität der Kohlendioxid - Abatmung vor dem Sprung mit dem subjektiven Erfolgsgefühl Tage nachher, wir verglichen Physiologie vorher mit Soziologie nachher.

Es stellte sich heraus, dass das Erfolgsgefühl nachher umso stärker anstieg, je höher die Atemfrequenz vorher gewesen war. Höhere Erregung vorher war also statistisch hochsignifikant mit stärkerem Erfolgsgefühl nachher verbunden. Eine deutliche Verbindung von Gefühl und Blut.

„Nachher“ sagt der deutsche Kabarettist Horst Evers „hat man es vorher sowieso schon ganz genau gewusst!“ Soll grob gesagt heißen, dass das Erfolgsgefühl nachher bei denjenigen am größten war, die vorher am stärksten erregt waren.

Unter dem Motto: “Ich habe es trotz allem geschafft!“

Die zusätzliche Bestimmung des Magnesiumgehaltes vor dem Sprung markierte darüber hinaus genau den Scheidepunkt zwischen den „Coolen“ und den Erregteren.

Wir haben die beiden Diagramme „Heldendiagramme“ genannt, weil gut waren sie alle. Die Coolen, weil sie entweder bewusst oder unbewusst oder durch ihre Lebensauffassung durch den drohenden Sprung nicht aus der Ruhe zu bringen waren und die Erregteren, weil sie sich erfolgreich überwunden hatten. Gratulation.

PS

Nachträglich ging mir auf, dass man mit dieser Untersuchung die jungen Damen und Herren auch etwas linken könnte. Ich wette Erkleckliches, dass eine Befragung vor dem Sprung, ob jemand über die Massen erregt sei, nur verständnisloses Kopfschütteln geerntet hätte. Eine Frage nach dem Erfolgsgefühl nachher war harmlos genug um einer ehrlichen Antwort würdig zu sein.

Achtung also, liebe Damen und Herren Fähnriche vor der Arglist der Wissenschaft.

Jetzt wissen wir es sogar schon vorher: Anstrengung, Leistung und Erholungsbedarf sind vorhersagbar, bevor noch ein Glied gerührt wurde

 

Predictability of effort, performance and recreation need by metabolic markers includingelectrolytes. S. Porta, H. Gell, V. Holcner, J. Zezula, M. Moser,

K. Pichlkastner, K. Kisters

 

Um die Tradition unseres ersten Beitrages fortzusetzen, auch hier ein eher unverständlicher Titel einer Arbeit, die, wie schon bemerkt, von maximal einer Handvoll Leuten gelesen wird. Gut für die Wissenschaft, weil vor Druck genau kontrolliert, schlecht für die, denen es nützen könnte, weil ihnen gänzlich unbekannt. Für die Verbreitung unter den Nutznießern ist nun der „Einsatz“ da.

Die üblichen Verdächtigen (siehe Autoren) haben also von Tschechischen Offiziersanwärtern vor und nach einem 2400m Lauf und nach anschließender Erholung einige Tropfen Blut entnommen und Stresshormoneffekte bestimmt.

Die erhaltenen Daten sollten auf folgende Fragen Antwort geben können:

  1. Ist die Anstrengung schon vor dem Lauf vorhersagbar?

  2. Ist etwa auch Leistung schon vor dem Lauf vorhersagbar?

  3. Ist die benötigte Erholungszeit auch schon vor dem Lauf vorhersagbar?

  4. Hängen Leistung und Anstrengung zusammen?

  5. Hängen Leistung und Erholung zusammen?

  6. Hängen Anstrengung und Erholung zusammen?
     

Wie schön wäre es doch für einen Kompaniekommandanten vor einem besonders gefährlichen Einsatz die geeignetsten seiner Leute aussuchen zu können, nämlich die mit der solidesten Leistung bei geringster Anstrengung, die obendrein noch schnell wieder einsatzfähig wären. Er ahnt ja, wer das in diesem besonderen Fall sein könnte, er kennt seine Leute recht gut, aber Blut lügt eben nicht und die Tagesform kann schwanken. Eine Zwischendurch-Kontrolle brächte Sicherheit.

Blut spart Blut.

Aber hört man nicht, dass das Verteidigungsministerium ebenso für Sportbelange zuständig sei? Wäre ein Erfolgstrainer nicht mindestens in derselben Situation wie der Kompaniekommandant? Wen schicke ich als Austauschspieler aufs Feld?

Wie lange wird er durchhalten? Wen setze ich heute in der Staffel ein?

Wie ist es nun möglich, unsere sechs Fragen zu beantworten?

Grundsätzlich deshalb, weil der individuelle, der persönliche Erregungszustand vor einem sportlichen Bewerb, vor einer militärischen Herausforderung, von Person zu Person verschieden ist. Wir können ihn mit einem dynamischen Muster aus Blutsäure, Blutdruck, Laktat, Magnesium und Kohlendioxidwerten gut beschreiben.

Alle diese Werte verändern sich aber in vorhersehbarer Weise (wir sagen korrelativ) mit den Laufzeiten, also mit der persönlichen Leistung Sie verändern sich auch mit der persönlichen Anstrengung und mit dem persönlichen Erholungsbedarf.

Und weil die Veränderungen vorhersehbar sind, kann man die individuelle künftige Laufzeit oder Erholungszeit schon vor der sportlichen oder militärischen Belastung hochrechnen.

Training verändert, verbessert meinen höchsteigenen körperlichen und mentalen Zustand. Der ist es, den man vor dem Sportbewerb misst, und es ist kein Wunder, dass Anstrengung und Leistung mit ihm zusammengehen, weil er ja wiederum vom Trainingszustand abhängt. Sehen wir es so, dann diktiert der Trainingszustand einfach Leistung, Anstrengung und Erholungsbedarf, was spätestens jetzt jedem klar wird. Umgekehrt kann etwa, wo angebracht, das hochrechenbare Verhältnis niedriges Magnesium – hohe Pulsfrequenz auch durch Magnesiumgaben beeinflusst werden.

Das wirklich Neue an dieser Sicht ist, dass wir das zukünftige Verhalten jeder einzelnen Person recht genau messen können, bevor sie noch einen Finger rührt. Orwell?

Nicht ganz, weil: In wirklich verzweifelten oder ausschlaggebenden Situationen kann man über sich hinauswachsen. Dann stimmt’s wahrscheinlich nicht mehr so gut.

 

 

Dr. Sepp Porta

Warten

 

Ein sicheres Mittel, die Leute aufzubringen und ihnen böse Gedanken in den Kopf zu setzen, ist, sie warten zu lassen

Friedrich Nietzsche

 

Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann

Leo Nikolajewitsch Graf Tolstoj

 

So unterschiedlich sehen große Geister das Warten. Diese weisen Sprüche verblüffen uns meist deswegen, weil sie selten Größenordnungen berücksichtigen. Im vorliegenden Fall: Wie lang dauert das Warten von dem die Rede ist? Bei unserem Heer hat – wie bei jeder anderen Armee – das Warten Tradition. Dabei ist es für die Mannschaft entscheidend, ob sie den Eindruck hat, dass das Warten einem wohlüberlegten Zweck dient, oder ob sich dahinter Desorganisation oder Faulheit der Führenden verbirgt.

Ein Beispiel:

Bei der Übung „Führen im Gefecht“  lag es in der Natur der Sache, dass immer nur ein- bis zwei Teilnehmer die zu überprüfende Führungsposition einnehmen konnten. So geschah es, das Manche fast den ganzen Tag warten mussten, bis sie drankamen.

Warten auf ein unabwendbares Ereignis, und sei es noch so trivial, führt immer zu einer Erhöhung von Stresshormonen, die ihrerseits den Stoffwechsel anregen. Dabei kommt beim „Auspuff“ dieses Stoffwechselmotors Säure heraus, die im Blut kompensiert werden muss. Dieses Kompensationssystem nennt man Basenexzess. Wir müssen also nur im Blut den Basenexzess messen (was einen Tropfen Blut aus dem Finger und 3 Minuten Bestimmungszeit erfordert) und schon wissen wir, wie stark die Kompensationssysteme durch die Stoffwechselerhöhung beansprucht worden sind. Für Neugierige: der Fachausdruck dafür heißt „sympatho - adrenale Erwartungshaltung“, weil über das sympathische Nervensystem das Stresshormon Adrenalin ausgeschüttet wird.

Bei dieser langen Wartezeit beobachteten wir einen eigenartigen Verlauf der Beanspruchung dieses Systems: Bei Beginn der Übung, am Morgen, war es stärker beansprucht, das legte sich um Mittag herum, verstärkte sich aber wieder gegen Abend (Abb.5)

 

 

 

Abbildung

Horizontal: Wartezeit in Stunden

Vertikal:      Kompensation (je höher die Werte, desto ruhiger ist die Person

Man hat den Eindruck, dass sich die morgendliche Nervosität zu Mittag legt, um dann bis zum Abend in Ärger umzuschlagen. Bis Mittag ist anscheinend durchgesickert, wie die Überprüfung abläuft, dass eigentlich auch nur mit Wasser gekocht wird, was bei der Durchführung besonders zu beachten ist und so weiter. Diese zunehmende Beruhigung machte dann bei ungebührlicher Ausdehnung der Wartezeit immer mehr ärgerlichem Frust Platz.

 

Betrachten wir einmal eine kürzere Wartezeit von etwa 40 Minuten (Abb.6). Die Gruppe saß in einem warmen Raum und wartete in scheinbar gelöster Stimmung auf die Abnahme eines Tropfen Blutes, was im letzten Monat schon einmal gemacht worden war. Ein recht unbedeutendes, aber trotzdem unabwendbares Ereignis.

 

Abbildung

Horizontal: Blutzucker in mg/dl

Vertikal:      Wartezeit in Minuten

Die Abbildung 2 zeigt, dass der Blutzucker der Teilnehmer umso höher wird, je länger sie warten mussten. Dabei handelt es sich wieder um eine typische Adrenalinwirkung: Steigendes Stresshormon holt aus der Leber Zucker ins Blut, um mit diesem „Sprit“ einer drohenden Gefahr besser begegnen zu können.  Aus der Reaktion auf diese kürzere Wartezeit lernen wir mehrere Dinge:

  1. Das Ereignis der Blutentnahme kommt immer näher, der Zeitpunkt, zu dem man selbst drankommt ist absehbar.

  2. Deshalb tritt, besonders bei dienstlich Vorbelasteten keine Beruhigung ein, die Erregung wird im Gegenteil immer größer.

  3. Der durch die Erregung steigende Blutzucker sollte möglichst nicht zu lange im Blut bleiben. Die beste Möglichkeit ihn zu normalisieren ist Bewegung, weil er als Treibstoff für die Muskeln dient und von ihnen verbraucht wird.

 

Die zwei Beispiele zeigen, dass die Wirkung auf den Stoffwechsel der Wartenden recht beträchtlich ist, was sich durchaus auf die Leistung im anschließenden Einsatz auswirken kann. Die Beispiele machen auch klar, dass Stoffwechselbeeinflussung nicht nur von der Länge der Wartezeit abhängt, sondern dass auch die besonderen Umstände des Wartens zu berücksichtigen sind.

Prinzipiell sollten unnötige Wartezeiten vermieden werden.

Sind lange Wartezeiten dennoch unumgänglich, so tragen regelmäßige Informationen der Truppe ganz wesentlich zur Stoffwechselberuhigung und damit zur Vermeidung unnötigen Energieverbrauches bei.

Andererseits belegen unsere Beispiele, dass man Wartezeit gezielt einsetzen kann, um entweder ein gewisses Maß an Erregung hervorzurufen oder um die Truppe durch eine Kombination von Ruhe und Information zu beruhigen. In diesem Fall sollte man also die Rast–Komponente der Wartezeit in den Vordergrund stellen.

 

Auf diese Weise können aus den ganz unterschiedlichen Stoffwechseleinflüssen, die Wartezeiten mit unterschiedlichen Eigenschaften in sich bergen, gezielt Einflüsse auf das Energiemanagement für den darauffolgenden Einsatz ausgeübt werden.

Dr. Sepp Porta

Außenseiter

 

Ich erzähle Ihnen die Geschichte von zwei Außenseitern.

Fängt gut an, klingt nach Mobbing, nach Tragödie und Versagen. Nichts von alldem. Die beiden waren aufrechte Soldaten, beliebt bei den Kameraden, nett und hilfsbereit. Das krasse daran war, dass sie nicht einmal wussten, dass sie Außenseiter waren. Nur wir konnten das mit empfindlichen Messinstrumenten feststellen. Sie werden vielleicht sagen, dass eine Außenseiterrolle, die nur mit empfindlichen Messinstrumenten feststellbar ist, so eine furchtbare Außenseiterrolle ja auch wieder nicht sein kann. Abwarten.

In der Geschichte über das Warten haben wir uns die Wirkung einer an und für sich harmlosen Wartezeit am Morgen nach einer Übung auf den Adrenalinanstieg der Teilnehmer angeschaut, indem wir Wartezeit mit Blutzuckeranstieg verglichen haben.

Blutzuckermessungen sind zwar ein einfaches aber nicht das einzige Mittel um Stoffwechselveränderungen durch Erregung feststellen zu können. Wir haben schon in der Geschichte über die Art und Weise der Messungen gesehen, dass eigentlich alle zwölf gemessenen Werte Stresshormoneffekte sind und sich deshalb zur Beschreibung von Stresshormonveränderungen eignen.

Von der Abbildung wollen wir uns nur merken, dass mit längerer Wartezeit angestiegenes Adrenalin mehr Kalzium vom Blut ins Gewebe verschiebt und mehr Magnesium herausholt. Deshalb wird der Bruch Ca/Mg immer kleiner.

Ausgenommen sind die zwei Ausreißer, die schon am Beginn der Wartezeit ein Ca/Mg Verhältnis zeigen als hätten sie sehr lange warten müssen. Ihr Adrenalinspiegel ist also schon am Anfang so hoch, wie bei denen, die am längsten warten mussten. Sie sind kaum mehr belastbar. Obendrein verfälschen sie das Gruppenergebnis, weil erst dann eine allmählich fortschreitende Veränderung durch Wartezeit sichtbar wird, wenn man sie aus der Gruppe entfernt.

Schon bei kleiner Belastung zeigt sich die Erschöpfung des Vortages

Im linken Diagramm sind deshalb keinerlei Gemeinsamkeiten der Gruppe zu erkennen, Wartezeiten und das Ca/Mg Verhältnis (das nebenbei den Energieumsatz im Gewebe gut widerspiegelt) scheinen rein zufällig verteilt. Natürlich ist sofort sichtbar, dass das nur am Verhalten der zwei Soldaten liegt, die die proportionalen Kalzium/Magnesium Veränderungen nicht mitmachen. Man hat eben den Eindruck, dass sie schon bei geringem Wartedruck mit massiven Magnesiumveränderungen reagieren, ganz anders als die überwiegende Anzahl der Teilnehmer.

Als wir sie fragten, ob sie eine Begründung für dieses Außenseiterverhalten hätten, waren sie erst einmal ratlos, sie konnten es sich nicht erklären.

Erst in einem längeren Gespräch kamen wir drauf, dass genau die beiden, die so belastet reagiert hatten, den ganzen Vortag lang das MG74 getragen hatten. Ein guter langer Schlaf hatte – scheinbar – die Anstrengung des Vortages wettgemacht. Aber schon bei der geringsten psychischen Belastung kommen die überwunden geglaubten Vorbelastungen wieder ans Tageslicht, ohne dass es den Betroffenen bewusst wird.

Wir lernen daraus, dass

  1. der Körper sich Belastungen auch dann noch merkt, wenn sie aus dem Bewusstsein verschwunden sind

  2. dass deshalb unnötige Belastungen zu vermeiden sind (man hätte sie ablösen können).

  3. Durch sie wird nur die anschließende Einsatzbereitschaft vermindert und gefährliche Situationen werden provoziert, weil die beiden ja glauben, voll einsatzfähig zu sein.  (Dr. Sepp Porta)

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