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Schutzzonen in Syrien werden ständig verlangt,  keiner weiß genau wie sie ausschauen sollen. Die Fachliteratur gibt wenig Antworten. Unter russischer Führung werden Deeskalations-Zonen eingerichtet.

Schutzzone als tödliche Falle:

Im April 1993 errichtete in Bosnien die UNO ihre erste Schutzzone. Zwei Jahre später, am 11. Juli 1995, fiel die Schutzzone Srebrenica. Bosnisch-serbische Truppen stießen bei ihrem Vormarsch auf wenig Widerstand. Die UNO-Soldaten schossen nicht zurück, als sie beschossen wurden, sondern ergaben sich. Sie hatten im Grunde genommen gar keinen Kampfauftrag; sie hatten Befehl, zuerst sich selbst zu schützen und erst dann die Personen in der Schutzzone. Nach der Schlächterei wurden 8372 Männer aus Srebrenica als vermisst gemeldet; die Überreste von 7100 bosnischen Muslimen wurden inzwischen exhumiert, viele anhand von DNS-Proben identifiziert.

Einer in Ruanda stationierten UNO-Blauhelm-Truppe wurde nicht gestattet, militärisch einzugreifen. Auch die wiederholte Forderung des UNO-Kommandanten die Sicherungskräfte in der Schutzzone zu verstärken und zum Waffengebrauch ermächtigen, wurde nicht entsprochen. Stattdessen wurde die UNO-Truppe aus Ruanda abgezogen, nachdem zehn nicht ausreichend bewaffnete und zudem nicht auf eine Verteidigung vorbereitete belgische Blauhelm-Soldaten von Hutu-Extremisten ermordet worden waren. Etwa 800.000 Tutsi sowie tutsi-freundliche Angehörige des Hutu-Volkes wurden 1994 in nur 100 Tagen getötet.

In beiden Fällen wurde die Schutzzone nicht verteidigt, zu wenig militärische Kräfte standen zur Verfügung und ein robustes UNO-Mandat fehlte. 

Allgemeines:

Eine Schutzzone setzt eine entmilitarisierte Zone voraus, wobei in besonderen Fällen eine Pufferzone zu errichten ist, um die Kriegsführenden zu trennen.

Folgende Maßnahmen sind durchzusetzen:

-          Trennung der Streitparteien,

-          Kontrolle der Truppenentflechtung,

-          Verhinderung von Ausschreitungen,

-          Unterstützung der politischen Streitschlichtung,

-          Einrichtung der entmilitarisierten Zone,

-          Schaffung einer Schutzzone mit humanitären Korridoren,

-          vollständige Entwaffnung, Stabilisierung  und Schaffung einer zivilen Verwaltung.

Bewaffnete Spezialeinsatzkräfte müssen die Entflechtung der gegnerischen Parteien unterstützen. „Peacekeeper“ kontrollieren und überwachen die Demarkationslinien damit keine kriegsführenden Kräfte  in die Schutzzone eindringen.  Militärpolizei und Sicherheitskräfte sollen deeskalierend in der Schutzzone wirken, militärische Schutztruppen agieren möglichst zurückhaltend, aber in kritischen Lagen auch unter Waffeneinsatz. Darüber hinaus müssen alle militärischen und zivilen Kräfte helfen, die  Lebensumstände für die Flüchtlinge in der Schutzzone zu verbessern.  Die Versorgung der Schutzsuchenden ist in allen Bereichen sicherzustellen und mit der heimischen Bevölkerung bzw. den NGOs ist die humanitäre Hilfe zu koordinieren. Besonders wichtig sind die medizinische Hilfe sowie die Versorgung mit Verpflegung und Trinkwasser.

Neben den humanitären Aufgaben, sind die Waffenruhe  und die Entwaffnung der verfeindeten Parteien zu überwachen. Patrouillen und Checkpoints sollen Sicherheit und Ordnung gewährleisten, natürlich darf auch auf die Beratung ziviler Organisationen nicht vergessen werden. 

 Begriffserklärungen:

  1. Entmilitarisierte Zone:

Ist ein mit den am Konflikt beteiligten Parteien vereinbartes Gebiet, auf das Kriegshandlungen nicht durchgeführt werden dürfen. 

Durch Verhandlungen können aus Pufferzonen letztendlich entmilitarisierte Zonen entstehen, um dort Flüchtlinge in Schutzzonen unterbringen zu können.  Die Grenzen einer entmilitarisierten Zone werden durch Demarkationslinien festgelegt. Sie sollen im Gelände gut erkennbar sein und nicht politischen sowie kulturellen Traditionen widersprechen.

Der Luftraum über der entmilitarisierten Zone darf durch Flugzeuge der Konfliktparteien nicht beflogen werden. 

  1. Pufferzone:

Ein bestimmtes Gebiet, dass durch „Peacekeeper“ kontrolliert wird und von dem streitende bzw. kriegsführende Kräfte ausgeschlossen sind.

Eine Pufferzone wird gebildet, um die streitenden bzw. kriegsführenden Parteien zu trennen und dadurch das Risiko für einen erneuten Konfliktausbruch zu reduzieren.

  1. Schutzzone:

Eine im konfliktführenden Land festgelegte Zone - in einer sicheren Entfernung zu bewaffneten Kampfhandlungen –, die  sich für die Unterbringung von Flüchtlingen eignet. Dabei sollen temporär, die Binnenflüchtlinge (Internally Displaced Persons = IDPs) in Aufnahmelagern geschützt einquartiert werden. Grundlage ist meistens eine entmilitarisierte Zone.

Flüchtlingsagentur UNHCR

UNHCR stellt überzogene Regeln für die Behandlung von IDPs auf, die eine Überforderung der Akteure und Parteien darstellen und daher kaum umsetzbar sind. Teilweise werden Maßnahmen gefordert, die keine Priorität für das Überleben der IDPs darstellen. Insgesamt eine blauäugige juristische Betrachtung, bei der angenommen wird, mit Paragraphen kann man in einem chaotischen Land die Vertriebenen schützen.

Ratschlag UNHCR – Handbook for Protection of IDPs, Part IV-2: Manchmal ist das Land zu verlassen die beste Schutz-Strategie, auch wenn dort Maßnahmen für eine verbesserte Sicherheit der Menschen erfolgen. Die IDPs behalten das Recht im Ausland um Asyl anzusuchen.

Jetzt wissen wir, warum so viele Flüchtlinge nach Europa streben!       

Deeskalations-Zonen in Syrien:

Die Deeskalations-Zonen sollen Idlib im Nordwesten des Bürgerkriegslandes, Teile der Provinz Aleppo, Al- Rastan in der Provinz Homs, einen Teil der Hauptstadt Damaskus und einen Teil der südlichen Stadt Daraa umfassen. Was eine Deeskalations-Zone in diesem Fall genau bedeutet, ist aber unklar.

Entscheidend wird sein, wer die Deeskalations-Zonen managt. Für Daraa im Süden Syriens wurde eine Waffenruhe von den USA und Russland ausgehandelt. Außerdem haben russische Militärpolizisten in Ost-Ghouta Checkpoints und Beobachtungspunkte errichtet. Nach Daraa ist es die zweite Deeskalations-Zone über deren Modalitäten sich Moskau mit lokalen Rebellen abgesprochen hat. Auch in Homs hat man sich auf eine Waffenruhe mit den Rebellen geeinigt und will dort eine dritte Deeskalations-Zone errichten.

Schutzzonen müssen nicht nur kontrolliert, sondern auch durchgesetzt werden, notfalls mit Gewalt. Ohne effektive militärische Sicherung werden sie wahrscheinlich nicht lange halten. Vier Kringeln sind auf der Karte leicht eingezeichnet, jedoch die Umsetzung in die Praxis ist schwierig. 

 

Oberst iR Kurt GÄRTNER

SCHUTZZONEN

Krise in Syrien 

 

Grafik: EU-UNHCR

260.000 Flüchtlinge sind nach Syrien zurückgekehrt 

 

Foto: EPA

IDP-Camp in Syrien 

 

Foto: AP/M. Muheisen

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