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Raketenabwehr für Europa

 

Die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln und Trägersystemen, insbesondere ballistische Raketen, stellen für Europa eine Herausforderung dar.

Aufgrund der Komplexität und der extrem hohen Kosten eines Abwehrsystems ist das Problem nur mit einem gesamteuropäischen und internationalen Konzept zu lösen. Jedoch gibt es auch kritische Stimmen zur Raketenabwehr.  

Bedrohung

Einige unberechenbare Staaten konzentrieren sich auf die Beschaffung und Herstellung von Trägersystemen für konventionelle Sprengköpfe und Massenvernichtungswaffen. Die eigentliche Gefahr geht von ballistischen Raketen aus, da die Flugzeit kurz und die Bekämpfung nur mit kostspieligen Abwehrsystemen möglich ist.

Das Know-how von Russland, Nordkorea und Pakistan dürfte auch in die iranischen ballistischen Raketen eingeflossen sein. Aufgrund des Faktums, dass es kaum realistische Aussichten auf eine vollständige Verhinderung der Proliferation von ballistischen Raketen oder von entsprechenden technischen Komponenten gibt, kann nach Ansicht der NATO auf Raketenabwehrsysteme nicht verzichtet werden.

Die NATO versucht Russland von einer Teilnahme an einer europäischen Raketenabwehr zu überzeugen. Russland sieht aber darin eine Bedrohung und will keine weitreichenden Radargeräte und moderne Raketenabwehr vor der Haustüre.

Theatre Ballistic Missile Defence (TBMD)

Ziel der TBMD ist der Schutz eigener Truppen und der Bevölkerung vor ballistischen Raketen mit einer Reichweite von bis zu 3000 Kilometern.

Grundsätzlich sollen Abwehrsysteme und Sensoren in einem internationalen Führungsverbund integriert werden, um so Synergieeffekte durch gemeinsame Einsatzplanung, ein gemeinsames Lagebild und zeitgerechte Zielvoreinweisung zu erlangen.

Mit den später erwähnten Raketenabwehrsystemen in genügend großer Anzahl, können ballistische Raketen von kurzer bis mittlerer Reichweite abgefangen werden. Wesentlich ist auch die Vernetzung der Waffensysteme mit den erforderlichen Aufklärungs-, Führungs- und Kommunikationsmitteln. Die vernetzte Operationsführung ermöglicht die lageabhängige, individuelle und dynamische Zuweisung vorhandener Einsatzmittel  zur Bekämpfung von ballistischen Raketen.

Zwei Abwehrschichten

Die Bekämpfung ballistischer Raketen erfolgt in einem aktiven mehrschichtigen Abwehrsystem. Verschiedene Waffensysteme bekämpfen die ballistischen Raketen in unterschiedlichen Höhen und Flugphasen (Treffzonen).

Dadurch wird eine hinlängliche Vernichtungswahrscheinlichkeit gewährleistet.

Die komplette Fähigkeit zur Abwehr von ballistischen Raketen in der unteren und oberen Abwehrschicht soll laut Zeitplan bis 2018 erreicht werden.

Zur Differenzierung wurde eine fiktive Trennlinie in einer Höhe von etwa 100 km zwischen der unteren und oberen Abfangschicht gezogen.

Obere Abfangschicht: In der oberen Abfangschicht (upper-layer) werden ballistische Raketen in der mittleren Flugphase im exoatmosphärischen Bereich bekämpft.

Die Bekämpfung in der oberen Abfangschicht schafft mehr Zeit und Raum für die Vernichtung gegnerischer Raketen. Bekämpfungszeit: 6-12 Minuten

Untere Abfangschicht: In der unteren Abfangschicht (lower-layer) werden ballistische Raketen in der Anflugphase bekämpft. In diesem endoatmosphärischen Bereich werden mobile Waffensysteme eingesetzt. Sie schützen vor allem begrenzte Räume und wichtige Objekte. Aufgrund der kurzen Bekämpfungszeit ist eine Voreinweisung durch Frühwarnradars und Satelliten unbedingt notwendig. Bekämpfungszeit: max. 1 Minute.

Raketenabwehrsysteme

Obere Abfangschicht:

 

a) Aegis Ballistic Missile Defense System (SBMD):

Ein seegestütztes Raketenabwehrsystem, das einen SM-3 Flugkörper mit einem leichten exoatmosphärischen Projektil (LEAP) samt  kinetischem Gefechtskopf verwendet. Reichweite 500 km und Einsatzhöhe 250 km. Status: Operationell verfügbar, ständige Kampfwertsteigerungen und landgestützte Systeme werden in Europa aufgestellt.

 

b) Terminal High Altitude Area Defence (THAAD): Ein mobiles Raketenabwehrsystem, das mittels eines kinetischen Gefechtskopf-Luftfahrzeugs (Kill Vehicle) die feindliche Rakete durch Kollision (also durch Aufprallwucht) zerstören soll. THAAD hat eine Reichweite von 200 km und kann unter günstigen Bedingungen, ballistische Raketen bis in eine Höhe von 150 km bekämpfen. Status: Operationell verfügbar.

 

Untere Abfangschicht:

a) Patriot Advanced Capability (PAC-3): Im Gegensatz zu THAAD besitzt  der Patriot-Flugkörper einen  Sprengkopf und zerstört die feindliche Rakete durch eine Explosion. Patriot kann daher auch Kampfflugzeuge bekämpfen.  Gegen ballistische Raketen: Reichweite 45 km und Einsatzhöhe 20 km. Status: Operationell verfügbar.

 

b) Medium Extended Air Defense System (MEADS):  Es ist ein trilaterales Programm der USA, Italiens und Deutschlands und soll als erstes Waffensystem in der Lage sein, sowohl konventionelle Bedrohungen wie Kampfflugzeuge oder Kampfhubschrauber, als auch Marschflugkörper oder taktische ballistische Raketen  wirkungsvoll zu bekämpfen. Hierzu wird das Luftverteidigungssystem mit zwei Lenkflugkörpern unterschiedlicher Reichweite (PAC-3/Patriot und IRIS-T SL) ausgestattet. Status:  Beschaffung ausgesetzt.

 

c) Aster 30 (MBDA) startet den Abfangflugkörper senkrecht und hat eine Reichweite gegen ballistische Raketen von ca.50 km bei einer Höhenabdeckung von 20 km.

Status: Operationell verfügbar.

Stationierung in Europa

Die Kommandozentrale der europäischen Raketenabwehr befindet sich in Ramstein / Deutschland. Ein weitreichendes US-Radar ist in Kürecik / Türkei installiert. Je ein ortsfestes Schutzsystem Aegis wurde in Deveselu / Rumänien und wird in Redzikowo / Polen  aufgestellt. Vier US-Schiffe mit seegestützten Aegis befinden sich in Rota / Spanien. Die mobilen Abwehrsysteme THAAD und Patriot werden je nach Bedrohungslage in Stellung gebracht. Alle Waffensysteme sollen sich gegenseitig unterstützen und können über die Datenverbindung Tactical Digital Information Link-J/Link 16 (TADIL -J) eng zusammenarbeiten.

 

Oberst iR Kurt GÄRTNER

 

NATO RAKETENABWEHR
 
Grafik dpa/NATO
Landgeschützte
Raketenabwehr Aegis
in Deveselu/Rumänien
 
Foto: NATO
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